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Veröffentlicht auf von sächsischer Migrantenbeirat

17. Gomondai-Gedenktag

 

Rede von Dr. Asad Mamedow

Geschäftsführer des Ausländerrates Dresden e.V.

 

 

Dresden, 7. April

Jorg-Gomondai-Platz

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Liebe Freundinnen und Freunde!

 

Der mosambikanische Bürger Jorge Gomondai kam nach Dresden, um hier zu arbeiten.

Hier gründete er dann aber auch eine Familie, unterstützte seine Großfamilie, seine Verwandte und seine Mutter in Mosambik und wollte einfach weiter glücklich leben.

Bis der Tag kam, an dem er ganz jung sterben musste.

 

Warum musste er sterben? Warum konnte er nicht weiter leben, warum konnte er nicht weiter für seine Frau da sein, für seine Kinder da sein, für seine Mutter da sein?

 

Er musste sterben, weil das Böse wieder gesiegt hat.

Er musste sterben, weil wir leider in einer Gesellschaft leben, in der allein die Hautfarbe ein Grund dafür ist, dass die Menschen Angst haben müssen, angegriffen, angepöbelt oder in einer anderen Art und Weise diskriminiert zu werden.

Er musste sterben, weil in dieser Gesellschaft die Diskriminierung wegen Hautfarbe immer noch nicht von allen verurteilt wird.

Er musste sterben, weil in dieser Gesellschaft noch vieles geschieht, was ungerecht ist und was nicht passieren darf.

 

Und eine der größten Ungerechtigkeiten, die in dieser Gesellschaft täglich geschieht, ist die Diskriminierung, der die Menschen ausgesetzt sind, deren einzige Schuld daran besteht, dass sie keinen deutschen Pass haben, um hier dieselben Rechte zu haben, die diejenigen haben, die im Besitz eines deutschen Passes sind.

 

Es gibt Ausländer; die nichts zu essen und keine Wohnung haben, die sich aber nie trauen werden, sich an die Behörden, gar an die Beratungsstellen zu wenden, weil sie Angst haben, abgeschoben zu werden. Abgeschoben in ein Land, in dem sie nicht selten auch den Tod fürchten müssen und deshalb lieber bereit sind, die Armut hinzunehmen, als im Heimatland zu sterben.

 

Wenn man aber von Ausländern spricht, darf man auch nicht einen wesentlichen Unterschied vergessen. Bei Deutschen sieht es rein rechtlich, mindestens äußerlich, von den Möglichkeiten hier so aus, dass alle gleichberechtigt sind. In keinem Gesetz - Gott sei Dank - steht, dass einige Deutsche dies und jenes dürfen und die anderen nicht. Es gilt das Gleichbehandlungsprinzip, das auch im Grundgesetz verankert ist.

 

Anders bei Ausländern: Ein Gleichbehandlungsprinzip zwischen Deutschen und Ausländern gibt es nach dem Grundgesetz nicht. So z.B. gibt es Berufe, in denen Ausländer nicht arbeiten dürfen, und nach dem Grundgesetz ist das verfassungskonform. Aber auch unter Ausländern gibt es das Gleichbehandlungsprinzip nicht. Durch verschiedene Gesetze wurde festgelegt:

Es gibt Ausländer, die arbeiten dürfen und es gibt Ausländer, die überhaupt nicht arbeiten dürfen, auch wenn sie eine Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland haben.

Es gibt Ausländer, die für ihre minderjährigen Kinder Kindergeld bekommen können, und es gibt solche, die kein Kindergeld bekommen dürfen, auch wenn sie Geringverdiener sind. Es gibt Ausländer, die Arbeitslosengeld II bekommen können, und es gibt Ausländer, die kein Arbeitslosengeld II bekommen dürfen.

 

Es ist also gesetzlich festgelegt worden, dass bestimmte Ausländergruppen sozial ausgegrenzt werden, weil sie diesen Gruppen angehören.

 

Und die Gruppe, die zwar legal in Deutschland lebt, aber am schlimmsten sozial ausgegrenzt ist, sind Asylbewerberinnen und Asylbewerber. Es werden extra Gesetze dafür geschaffen und zusätzliche Gelder ausgegeben, um diese Ausgrenzung zu vollziehen.

 

Asylbewerber müssen jahrelang in den Heimen leben, in den sehr teueren Heimen wohlgemerkt. Und das – obwohl viele Wohnungen in Dresden leer stehen. Und das – jahrelang!

Jugendliche Asylbewerber bekommen keine Ausbildung, weil sie keine Arbeitserlaubnisse bekommen, sind also verurteilt, in Zukunft, egal wo, in Deutschland oder in Heimatland, nur unqualifizierte Arbeit zu verrichten.

Überall in Deutschland und in der ganzen zivilisierten Welt sagt man gern: Kinderrechte, Kinderrechte, Kinderrechte. Sie müssen eingehalten werden.

 

In einem Asylbewerberheim haben Kinder keine Rechte und keine Kindheit!

Asylbewerber dürfen ja nicht einmal in eine andere Stadt zu Verwandten ohne Genehmigung fahren!  Und diese Genehmigung wird sehr selten erteilt...

Sie fahren dann trotzdem, weil sie das einfach nicht begreifen können, dass in einem freien Land der Besuch der Verwandten verboten sein kann. Sie werden dann erwischt (die gezielten Kontrollen von Ausländern auf den Bahnhöfen haben bestimmt viele erlebt...) und werden als Straftäter (wirklich als Straftäter!) verurteilt. Da fragt man schon die Gesetzgeber, warum kriminalisieren Sie die Menschen? Warum schafft man die Reisefreiheit für die Einen und schränkt dieselbe Freiheit für die Anderen?

Gern beklagen sich die Behörden, dass es verständlich sei, dass sie genervt seien mit Asylbewerbern, diese Asylbewerber sprächen ja kaum Deutsch. Dann machen Sie doch etwas dafür, dass die Asylbewerber mehr Deutsch sprechen können. Nein, gemacht wird aber gar nichts. Im Gegenteil: An den im Zuge des Zuwanderungsgesetzes ermöglichten Integrationskursen dürfen Asylbewerber nicht teilnehmen.

Ist das nicht gerade auch absurd, wenn man auch bedenkt, dass nach Grundwerten aller Religionen gerade diejenigen, die gelitten haben, eigentlich mehr Unterstützung als die Anderen benötigen und nicht noch eine zweite Bestrafung? Gerade diese zweite Bestrafung aber erleben Asylbewerber dann hier, nachdem sie bereits in ihrem Heimatland gelitten haben.

Denn was sind das oft für Menschen, nachdem sie jahrelang in den sogenannten Asylverfahren waren und zu der Gruppe gehört haben, die am wenigsten Rechte in dieser Gesellschaft hat?

Oft sind das kranke Menschen, nachdem sie jahrelang in den Heimen gelebt haben.

Das sind oft Männer und Frauen, die nicht nur jahrelang in ihrem Beruf nicht gearbeitet haben, sondern sogar überhaupt vergessen haben, wie man arbeitet, weil sie das nicht dürften.


Das sind Männer und Frauen, die in den Strafregistern als Straftäter erfasst sind, obwohl sie nur zu ihren Verwandten oder Verlobten gefahren sind.


Das sind Männer und Frauen, die ja kaum Deutsch gelernt haben, und mit zunehmendem Alter wird es nicht leichter, die Sprache zu erlernen.


Das sind junge Menschen, die nicht nur keinen Beruf haben, sondern überhaupt nicht wissen, wie man arbeitet.

Das sind Kinder, die nie gewusst haben, was ein eigenes Kinderzimmer ist.
Ist das nicht auch Rassismus, wenn Menschen neben uns leben, wie wir aussehen und dieselben Fähigkeiten wie wir haben und trotzdem vieles nicht dürfen, was wir dürfen?

 

Lassen wir uns nicht täuschen: Der Rassismus lebt weiter und fühlt sich weiter sicher. Wir sind noch weit davon entfernt, um sicher zu sein, dass morgen nicht noch einmal in Dresden einer deshalb getötet wird, weil er dunkle Hautfarbe hat.

Es passiert leider heute noch zu oft, dass Menschen nur deshalb keine Wohnungen vermietet werden, weil sie dunkle Hautfarbe haben.

Es passiert leider heute noch zu oft, dass Menschen nur deshalb der Zutritt in die Gaststätten und Diskotheken verwehrt wird, weil sie dunkle Hautfarbe haben.

Wieder mussten wir erst vor kurzem in den Zeitungen mehrere Artikel lesen, dass in den Bussen in Dresden dunkelheutige Menschen von den Rechtsradikalen angegriffen und brutal zusammengeschlagen wurden.

 

Und noch etwas mussten wir in den Zeitungen lesen und aber auch selbst mit  eigenen Augen im Februar 2008 sehen:

Eine große braune Masse, 5.000 NPD-Anhänger, die die schönsten Straßen von Dresden füllten, die uns zum Entsetzen brachten und uns wieder daran erinnerten, dass wir den Mord an Gorge Gomondai nie vergessen dürfen. 

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